* 1. Mai 1899
† 30. Juli 1968
von Michael Hillenstedt
Essay
„Jón Leifs war ein Genie … und gehört in die gleiche Güteklasse wie Sibelius, Bartók und de Falla. Ich bemitleide ihn. Ich glaube, kein Musiker wurde mehr mißverstanden als er. Er wurde schlecht behandelt, und schließlich komponierte er seine Werke nur noch für sich selbst, da niemand dazu zu bewegen war, sie aufzuführen oder Geld herzugeben, sie zu drucken.“ So urteilte der Leifs-Forscher und Musikjournalist Carl-Gunnar Åhlén 1991 in der isländischen Tageszeitung Morgunblaðið nach der Uraufführung von Baldr (1948) in Reykjavík. Wenn auch fraglich ist, ob Leifs den genannten Komponisten qualitativ gleichgestellt werden kann, so kann an der Originalität seiner Kompositionen doch kein Zweifel bestehen. Tatsächlich ist Leifs an unglücklichen Lebensumständen gescheitert, war jahrelang vergessen und wird erst heute wieder entdeckt und aufgeführt.
Als Leifs 1916 – mitten im Krieg – nach Deutschland kam, war er der erste Isländer, der sich anschickte, Komposition zu studieren. Ein Musikleben begann sich eben erst in Island zu entwickeln, und es gab nur wenige ausgebildete Musiker auf der Insel. Politisch befand sich Island mitten im Befreiungskampf von Dänemark. Man begann sich in Island auf die eigene Geschichte und Kultur zu besinnen, vor allem auf ...